Yvonne – Seite 9 – Weimar acht Uhr

Kirschblüten-Tsunami – Rödchenweg III

Der Kirschblüten-Tsunami ist in vollem Gange. Nur einige wenige Tage fegt die zarte weiße Pracht durch die Lüfte, bevor sie sich in Nichts auflöst. Ähnliches geschieht mit den die Stadt aufwühlenden Themen. Leider jedoch folgen bei zweiterem im Anschluss nicht immer die süßen roten Belohnungen.

Prost – Weimarhallenpark

Florida hat Mangrovenwälder, Weimar den Weimarhallenteich. Ein Unterschied aus der Perspektive von oben lässt sich auf diversen Bildern nicht erkennen. Aber natürlich gibt es einen. Wo in Florida Krokodile ihre Mäuler aus dem Wasser schieben, tun das in Weimar die Sektflaschen. Da bleibt einem doch eigentlich nichts anderes übrig, als sogleich mit Goethe auf das richtige Reiseziel zu verweisen: „Willst Du immer weiter schweifen? Sieh das Gute liegt so nah.“ Prost!

AfD – Schwanseestraße II

Nur noch wenige Tage, dann öffnet sie wieder: die hiesige Sommervergnügungsstätte. Dann planschen CDU-, FDP-, Weimarwerk-, Grüne-, SPD-, Linke-, MLPD-, Piraten-, NPD-, Graue Panther- und sonstige Wähler vereint mit Nichtwählern im kühlen Wasser des Asbachs. Und sollten die langen Sommerferien nicht auswärts verbracht werden, dann könnte dieser Ort die absolut beste A(lternative) f(ür) D(aheimgebliebene) sein.

man – Cranachstraße II

Wenn man in diesem Viertel wohnt, hat man es geschafft. Man ist wer! Man bewegt sich in Gesellschaft, man trinkt den richtigen Wein, man isst das richtige Brot. Man wählt grün als letztes Überbleibsel der eigenen jugendlichen Rebellion oder bereits schwarz, weil man es gern hat, wenn alles bleibt, wie es ist. Gewiss toben auch bei den mans die Leidenschaften, aber man versteckt sie hinter den geschlossenen Fenstern der bürgerlichen Fassade. Es ist sehr schön hier.

Bikinileiber – Cranachstraße

Große Plakatierungsmöglichkeiten gibt es in diesem Viertel nicht. Marktschreierische Aktionen würden hier auch auf Verachtung stoßen. Aber mit diskreten Mitteln hat man durchaus die Möglichkeit, die Frauen des Viertels auf die dringend notwendige Frauenkörperdisziplinierung mit gleichzeitigem Verweis auf die Funktion des weiblichen Körpers als Verführungsobjekt hinzuweisen. Und das ist ein Glück. So verlieren die Frauen das Ziel der Erschaffung des Bikinileibes bis zum Sommer nicht aus den Augen.

Verschillerungen – Brucknerstraße

„Ich bin im Schiller.“ „Ich bin in der Schiller.“ Seit Jahrzehnten schon irrlichtert Schillers unklares Geschlecht durch Weimars Schüler-, Lehrer- und Elternschaft. Die Stadt könnte eigentlich damit werben, Vorreiter in Feminismus- und Transgender-Diskursen zu sein. Doch auch andere Weiterentwicklungen unserer Sprache könnten zukünftig marketingtechnisch bedeutsam werden. Im Zuge der Reduktion von Sprache, wie beispielsweise im Großstadtslang: „Ich geh Schule“, wird es hochinteressant. Übertragen auf das obige Beispiel hieße das dann nämlich: „Ich bin Schiller.“ Angesichts solch wundersamer Schillervermehrung müsste das Marketing doch wirklich funktionieren.

Freiluftmuseum – Heldrungerstraße

Weimar ist Deutschlands Museumshauptstadt Nr. 1. Bekannt sind vor allem die Klassikerhäuser in der Innenstadt. Aber etwas außerhalb finden sich interessante Ansätze zu einem ersten subversiven Freiluftmuseum, das ohne hohe finanzielle Forderungen an die Stadt im Wachsen begriffen ist. Thema der musealen Aufbereitung ist das Verschwinden. Widmet man sich hier doch ausgestorbenen Spezies und im Aussterben begriffenen. Und hier nun die Frage an Sie: was könnte nach Einhorn und Telefonzelle Exponat Nummer 3 werden?

Erkenntnisoase – Am Fuchsweg

Der Löwenzahn ist seit den 80ern das Synonym für morgendlichen TV-Wochenend-Grundschulkinder-Erkenntnisgewinn. Acht Uhr in der Frühe wird Löwenzahn nicht gesendet. Weshalb das Grundschulkind an sich zu dieser Stunde die Löwenzahnoase Am Fuchsweg ganz praktisch nutzen könnte. Weit und breit jedoch sind keine Kinder zu sehen. Aber ganz klar: die Blumen öffnen sich nicht um diese frühe Stunde, und was soll schon eine Erkenntnisoase, die noch verschlossen ist. Da können die Kinder doch viel besser vor dem Fernseher sitzen bleiben.

Nach der Zwangspause ein täglicher Eintrag

Nach der langen Zwangspause gibt es jetzt für fünf Tage jeden Tag einen neuen Eintrag. Ich danke damit allen Besuchern des Blogs, die treu immer wieder vorbeigeschaut haben.

Lebensweg – Eiserne Brücke

Düstere Bekenntnisse geleiten die Fußgänger beim Gang über die eiserne Brücke: „Die Nazis sind unter uns.“ und „fuck love“ gehören dazu. Vor der Brücke wartet im Westen ein Spielplatz und eine half pipe, nach der Brücke im Norden die Kleingartenanlage „Zum Stadtblick“. Man könnte diesen Weg von West über die Brücke nach Nord als Allegorie für die Entwicklung eines Menschen sehen. Aber sollte man das jemandem wünschen?